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Ein Vaterhaus mit vielen Wohnungen

Robert Spaemann, deutscher Philosoph (1927 - )

(Leserbrief, FAZ, 26, 2009)"Wie unpolitisch darf sich Benedikt XVI. eigentlich noch geben?", fragt Daniel Deckers (FAZ vom 27, Januar 2009). Die Artikel von Heinz-Joachim Fischer und Güntzher Nonnenmacher in der FAZ vom 28. und 29. Januar gehen in die gleichen Richtung. Die Antwort auf die Frage kann nur lauten: ganz und gar unpolitisch, wenn es um die Aufhebung einer Exkommunikation geht. In China zogen sich jahrzehntelang die Bischöfe der "patriotischen Vereinigung" die "Tatstrafe" der Exkommunikation zu,weil sie ohne päpstlichen Auftrag Bischö- fe weihten oder sich weihen ließen. (A. Dürer, Gleichnis vom verlorenen Sohn)


Benedikt XVI. hob ohne Getöse die meisten dieser Exkommunikatione auf die Bitte der Betroffenen hin auf und bestätigte diese in ihren Ämtern, obwohl er nach Nonnenmacher "hätte wissen müssen, daß die Abspaltung nicht nur theologische Gründe hatte, sondern auch ein Politikum war". Ähnlich nun mit den vier Lefebre-Bischöfen, die sich durch die illegalen Wei- hen die Exkommunikation nach dem Kirchenrecht "automatisch" zugezogen hat- ten. Auf ihre inständige Bitte hin beendete der Papst nun die Strafe, übrigens ohne dadurch bereits die Betroffenen in ihren Ämtern zu bestätigen. Die Aufhebung bedeutet: Sie dürfen wieder beichten und die Lossprechung von ihren Sünden em- pfangen. Sie dürfen wieder die Kommunion empfangen. Sie müssen nicht mehr ohne Tröstung durch die Sakramente der Kirche sterben. Das ist auch schon alles. Aber Deckers, Fischer und Nonnenmacher sollten eigentlich wissen, was das für einen Katholiken bedeutet.

 


  

Der Papst verdiente die Anrede "Vater" nicht, wenn er einen solchen Gnadenakt von politischen Erwägungen abhängig ma<chen würde, also von der Intelligenz und dem Taktgefühl, dem politisch korrekten Wohlverhalten der Betroffenen oder davon, ob diese jedem Dekret des Zweiten Vatikanischen Konzils voll inhaltlich zu- stimmen, obwohl doch das Konzil für seine Dekrete ausdrücklich nicht den Status von Dogmen beanspruchte und jede weitere Diskussion beenden wollte. Was von der Pius-Bruderschaft allerdings verlangt werden muß, ist, daß sie sich an dieser Diskussion ernsthaft beteiligt. Bei der Verleihung der Ämter und der Gestaltung des kirchlichen Lebens können politische, das heißt Opportunitätserwägungen eine Rolle spielen. Bei der Aufhebung einer Exkommunikation, wo es um das Seelenheil geht, haben sie völlig außer Acht zu bleiben. Die Glaubensgemeinschaft der Kirche ist ein Vaterhaus mit vielen Wohungen, keine Gesinnungsdiktatur.
PROFESSOR DR. DR. H. C. MULT. ROBERT SPAEMANN, STUTTGART