~~ CHRISTLICH - SOZIALE POSITION ~~ ~~~ ~~~ INITIATIVE MENSCH & ARBEIT ~~~~~~~~~~~~~


Ende der Visionen

Wolfgang Ockenfels, Prof. für Sozialethik, Uni Trier

Schlechte Zeiten für christliche Werte. Der Indivi-dualismus der FDP ist nur schwer mit der Katholi- schen Soziallehre vereinbar. Er läuft auf die Parole hinaus: Wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht. (Rheinischer Merkur, 41, 2009/Auszug)

"... Die Auszehrung christlichr Substanz in der CDU-Programmatik ist ein schleichender Prozeß, der nicht erst mit der Vorsitzenden Angela Merkel begonnen hat. Die Partei entfremdet sich seit Jahrzehnten von ihrer eigenen Tradition und verliert damit ihre ursprüngliche C-Identität. Was vom "C" übrig bleibt, ist der schwa- che Aufguß dessen, was man "christliches Menschenbild" zu nennen pflegt. Das sind oft nur rhetorische Beschwörungen hehrer Werte wie Menschenwürde, Ehe und Familie. Deren naturrechtliche Bedeu- tung wird aber weithin verkannt. So folgt in der Union aus der "ungeteilten Menschenwürde", die auch den Ungeborenen zukommt, nicht etwa die rechtliche Konsequenz eines verstärkten Lebens- schutzes... Obwohl sich die gängige Abtreibungspraxis als überaus sozialschädlich erwiesen hat. Sie ist eine der Hauptursachen für das demografische Problem, das unsere Sozialsysteme wie auch das ökonomische Wachstum gefährdet. Uns fehlen heute die Millionen Kinder, die wir seit den Siebzigerjahren "rechtswidrig, aber straffrei" haben abtreiben lassen. Die anreiztheoretisch ausgeklügelten familienpolitischen Maßnahmen zur Behebung dieses Desasters werden nicht ausreichen. Vor allem nicht die Kinderkrippen, die das Wertproblem der Erziehung eher noch verschärfen und zur weiteren Verstaatlichung der Familien führen. wo ist hier das subsidiäre und naturrechtliche Ordnungsbild geblieben, das noch im Grundgesetz Artikel 6 aufleuchtet? dort ist nebem dem natürlichen Recht der El- tern sogar noch von deren Pflichten die Rede.

Macht- und Zeitgeistbeflissenheit beherrschen das Feld und verdrän- gen die nüchterne Ursachenanalyse (der Wahlergebnisse 2005/ 09)wie auch die geschichtlichen Erfahrungen der Wertkonserva- tiven... Aber immerhin gibt es noch zirka zehn bis 15 Prozent kirchlich praktizierende Christen. Sie können Verständnis finden bei der Jungen Union sowie in der rasch wachsenden Senioren-Union. Die Jungen wachsen von allein in die Seniorenschaft hinein und wer- den später dort zur Mehrheit der CDU finden. Und die "Christdemo- kraten für das Leben" sorgen sich um das Lebensrecht von Jungen und Alten; sie wehren sich gegen ein "Recht" auf Abtreibung und Euthanasie. ..

Selbst wenn man nach den ökonomische Turbulenzen auf das be- währte Ordnungsmodell zurückfindet, um es sogar im Weltmaßstab einführen zu können, wie es die Sozialenzyklika "Caritas in veritate" von Papst Benedikt XVI. andeutet: Das Grundproblem zwischen katholischen Christen und Liberalen um den Freiheitsbegriff bleibt bestehen. Die Liberalen der FDP werden wahrscheinlich auch in wirtschaftspolitischer Hinsicht die institutionellen (also zwingen- den) Voraussetzungen einer Freiheit, die allen zukommt, vernachläs- sigen. Ihr Individualismus ist nicht ohne weiteres mit dem sozialen Personalismus der Katholischen Soziallehre vereinbar und läuft auf die Parole hinaus. Wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht...

Die Zeit der großen Visionen und Projekte ist längst vorbei. Neue Kri- sen abzuwehren und alte Probleme zu lösen wäre schon ein gewalti- ger Fortschritt. Das klingt etwas defensiv. Aber es wäre eine realisti- sche Erwartung an die schwarz-gelbe Koalition.