~~ CHRISTLICH - SOZIALE POSITION ~~ ~~~ ~~~ INITIATIVE MENSCH & ARBEIT ~~~~~~~~~~~~~


XII. Fragen der Bioethik 1

1. Die rasante Entwicklung biomedizinischer Technologien, die in das Leben des heutigen Menschen von der Geburt bis zum Tode eingreift, und die Unmöglichkeit, den sich dabei stellenden sittlichen Herausforderungen im Rahmen der tradi-tionellen medizinischen Ethik Antwort zu geben, sind für die Gesellschaft Anlaß tiefster Besorgnis. Der Versuch des Menschen, durch eine nach Belieben vorge-nommene Änderung und "Verbesserung" Seiner Schöpfung Gott gleich zu werden, birgt die Gefahr, der Menschheit neue Bürden und neues Leid aufzuerlegen. Die Entwicklung der biomedizinischen Technologien drängt zusehends jedwede kritische Beurteilung der möglichen geistig-ethischen und sozialen Konsequenzen ihrer unkontrollierten Anwendung an den Rand, was bei der Kirche unweigerlich tiefe pastorale Sorge auslösen muß. Bei der Formulierung ihrer Position hinsicht- lich den gegenwärtig weltweit diskutierten Fragen der Bioethik, allen voran den- jenigen, die mit einer konkreten Einwirkung auf den Menschen verbunden sind, geht die Kirche von der auf der Göttlichen Offenbarung beruhenden Vorstellung vom Leben als einer unschätzbaren Gabe Gottes aus; ebenso geht sie von der un- aufhebbaren Freiheit sowie gottebenbildlichen Würde der menschlichen Person aus, die zur "himmlischen Berufung, die Gott uns in Jesus Christus schenkt" (Phil 3.14) und zum Erringen einer Vollkommenheit gleich der des himmlischen Vaters (Mt 5.48) bestimmt ist, die zur Vergöttlichung, d. h. zur Teilhabe an der göttlichen Natur (2Petr 1.4) berufen ist.

2. Seit alters her bezeichnet die Kirche den vorsätzlichen Schwangerschaftssab- bruch (Abtreibung) als schwere Sünde. Die kanonischen Regeln setzen die Abtrei- bung dem Mord gleich. Dieser Beurteilung liegt die Überzeugung zugrunde, daß das keimende menschliche  Leben ein Geschenk Gottes ist, mithin stellt jeder Eingriff in das Leben der künftigen menschlichen Persönlichkeit eine verbrecherische Tat dar. Der Psalmist beschreibt die Entwicklung der Frucht im Mutterleib als einen schöpferischen Akt Gottes: "Denn du hast mein Inneres geschaffen, mich gewoben im Schoß meiner Mutter. (...) Als ich geformt wurde im Dunkeln, kunstvoll gewirkt in den Tiefen der Erde, waren meine Glieder dir nicht verborgen. Deine Augen sahen, wie ich entstand" (Ps 139.13,15-16). Das gleiche bezeugt Ijob in seinen an Gott gerichteten Worten: "Deine Hände haben mich gebildet. (...) Hast du mich nicht ausgegossen wie Milch, wie  Käse gerinnen lassen? Mit Haut und Fleisch hast du mich umkleidet, mit Knochen und Sehnen durchflochten, Leben und Huld hast du mir verliehen, deine Obhut schützte meinen Geist. (...)(Du) ließest mich aus dem Mutterschoß kommen" (Ijob 10.8-12, 18). "Noch ehe cih dich im Mutterleib formte (...), noch ehe du aus dem  Mutterschoß hervorkamst, habe ich dich geheiligt (Jer 1.5-6) sprach der Herr zum Propheten Jeremia. "Töte das Kind nicht, verursache keine Fehlgeburt"- dieses Gebot reiht sich unter den wichtigsten Geboten Gottes in der "Lehre der zwölf Apostel" ein, einer der ältesten christlichen Schriften. "Die Frau, die eine Fehlgeburt verursacht, ist Mörderin und muß Rechenschaft ablegen vor Gott.  Weil (...) die Frucht im Leib ein lebendiges Wesen ist, ein Abbild Gottes", schrieb Athenagoras der Apologet des 2. Jahrhunderts. "Wer ein Mensch werden wird, ist bereits ein Mensch", bekräftigt Tertullian an der Wende vom 2. zum 3. Jahrhundert... Basilius der Große betont, daß die Schwere der Schuld unabhängig von der Dauer der Schwangerschaft ist. "Wir treffen keine Unterscheidung zwischen der ausgebildeten und der sich noch in Ausbildung befindlichen Frucht." Der hl. Johannes Chrysostomos bezeichnete jene, die eine Abtreibung vornehmen, als die "Bösesten, wenn nicht Mörder".

Codex Balliolensis - Tertullian's Apologetics

Nach der Beurteilung der Kirche, ist in der weiten Verbreitung und Rechtfertigung der Abtreibung in der modernen Gesellschaft eine Bedrohung für die Zukunft der Menschheit und ein unbestreitbares Zeugnis des moralischen Verfalls zu sehen. Die Treue zu der von der Bibel und den Heiligen Vätern überlieferten Lehre über die Heiligkeit und Kostbarkeit des menschlichen Lebens ist mit einer Anerkennung der  "Freiheit der Wahl" der Frau in der Verfügung über das Schicksal der Leibes- frucht unvereinbar... In Fällen, in denen das Leben der Frau durch die Fortführung der Schwangerschaft unmittelbar bedroht ist, im besonderen dann, wen sie bereits Kinder zur Welt gebracht hat, wird in der pastoralen Praxis zu Nachsicht geraten. Der Frau, die angesichts derartiger Umstände die Schwangerschaft abgebrochen hat, wird die eucharistische Gemeinschaft mit der Kirche nicht versagt, diese Ge- meinschaft wird jedoch nur unter der Bedingung gewährt, daß die Frau der von ih- rem Beichtvater bestimmten persönlichen Bußgebet Folge leistet... Die Verantwor- tung für die Sünde der Tötung des ungeborenen Kindes trägt neben der Frau auch der Vater, wenn die Abtreibung mit seiner Einwilligung durchgeführt worden ist... Der Arzt, der die Abtreibung durchgeführt hat, lädt im gleichen Maße Sünde auf sich...


3. Eine religiös-sittliche Beurteilung muß auch die Frage der Empfängnisverhütung erfahren. Einige kontrazeptive Mittel besitzen eine praktisch abortive Wirkung, die bereits in den frühesten Stadien das Leben des Embryos künstlich beendet, weshalb diese Mittel dem für die Abtreibung geltenden Urteil unterliegen. Andere Mittel, die nicht mit dem Abbruch bereits beginnenden Lebens verknüpft sind, dürfen keineswegs einer Abtreibung gleichgestellt werden. Bei Begründung ihrer Haltung zu den nichtabortativen Empfängnisverhütungsmitteln lassen sich die christlichen Ehegatten  von der Überzeugung leiten, daß die Weitergabe des menschlichen Lebens eines der Hauptziele des durch Gott gestifteten Ehebundes ist. Der bewußte Verzicht auf Kinder aus egoistischen Erwägungen entwertet die Ehe und ist eine unbestreitbare Sünde. Gleicheitig sind die Eltern auch vor Gott für die vollwertige Erziehung der Kinder verantwortlich. Ein verantwortungsbewußtes Verhältnis zur Geburt von Kindern wird u. a. auch durch eine zeitweilige Enthal- tung bezeugt. Allerdings sind ebenso die Worte des Apostel Paulus an die christ- lichen Ehegatten in Gedächtnis zu bewahren: "Entziehet euch untereinander nicht, au8er in gegenseitigen Einverständnis und nur eine Zeitlang, um für das Gebet frei zu sein. Dann kommt wieder zusammen, damit euch der Satan nicht in Vesuchung führt, wenn ihr euch nicht enthalten könnt" (1Kor 7.5).